Markanter Individualist
Lexus NX 450h+ und Lexus NX 450h mischen munter mit im mittleren Luxussegment
Länger, größer, weiter, mehr Infotainment, SUV. Das gilt auch für den Lexus NX 450 in der zweiten Generation, der erstmals auch als Vollhybrid – daher h+ – vom Band läuft. Geländewagen sind hierzulande bei den Kunden sehr beliebt, obwohl die meisten selten bis nie ins Gelände fahren. Die Zahl der Neuzulassungen hat sich seit 2016 gut verdoppelt. Mehr als jeder vierte Neuwagen war laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) 2021 ein SUV (25,4 %).
Vielleicht liegt die Beliebtheit von SUV an der alternden Bevölkerung, die den erhöhten Blick und die Sitzposition und ein vergleichsweise leichteres Ein- und Aussteigen schätzt? Wobei: Vor Kindergärten kann man trefflich studieren, welche SUV Marken angesagt sind. Limousinen bilden am Straßenrand fast schon die Ausnahme, geschweige denn Kleinwagen. Dabei schraubt Deutschland stark zurück, was Parkraum und Straßenflächen für Fahrzeuge zumindest in Städten betrifft.
Doch der Deutschen liebstes Kind bleibt nicht nur das Auto, dort ist es genauer gesagt das SUV oder SUV Coupé. In dieser Gemengelage wird auch der Lexus, den wir als Hybrid fuhren, seinen Freundeskreis finden, zumal bei denen, die sich von den Nachbarn mit andersartigem Erscheinungsbild absetzen möchten oder einfach auf die vielen Sicken und Kanten stehen.
In der letzten Dekade vor der Jahrtausendwende als Mercedes-Benz Kopien für weniger Geld gerne genommen, war Lexus plötzlich gefühlt weg vom Fenster. Seit etwa zehn Jahren ist die Marke auf deutschen Straßen wieder präsent. Ein Massenauto ist der Luxus-Mittelklasse Lexus mit Allrad hierzulande auf keinen Fall, wenngleich die Nobelmarke von Toyota in den letzten Jahren wieder deutlich Boden gut gemacht hat. Sie bleibt das Auto der Wahl für Individualisten, die sich die Nobelmarke über der Allzweckmarke Toyota gönnen wollen.
Den NX gibt es seit 2015, Zeit also für Neues. Seit Anfang des Jahres rollt nun die zweite Generation des japanischen SUV NX auf hiesigen Straßen, erstmals als Plug-in-Hybrid NX450h+ mit 309 PS (227 kW) Systemleistung. Wir fuhren den Vierzylinder mit schwarzen Ledersitzen in der F Sport Ausstattung in der edel anmutenden Farbe fuijiweiß glass flake.
Dass sich der Edelhybrid die Plattform mit dem Toyota RAV4 teilt, würde man angesichts des komplett anderen Außendesigns nicht automatisch vermuten. Um so besser. Aus eins mach mindestens zwei – denn die Autohersteller müssen die Investitionen in mehrere Antriebsformen zu kompensieren versuchen.
NX steht für Agile Crossover
Das geheimnisvolle NX meint nicht nix oder Nixe, sondern laut Hersteller ‚Agile Crossover‘ und bemüht damit gleich zwei Modewörter auf einen Streich. Agil wollen die Sports Utility Vehicle aller Hersteller sein. Crossover suggeriert zwei Autogattungen in einem – die des schwerer anmutenden Geländegängers SUV und eines mehr als Stadt- und Langstreckenauto gedachten Fahrzeugs, das mehr Bodenfreiheit hat – also eigentlich ein CUV. Das englische Wort Crossover als Kreuzung und Brückenbauer, eben zwischen Geländewagen (SUV) und Stadtauto. Die Botschaft: ein Auto für alles. H, klar: Hybrid. das + bedeutet: Hier kann ein Stecker angebracht werden zum Laden, eben Plug-in Hybrid.
Ist der Lexus ein Auto für alles? Ja, denn er hat Allrad, Bodenfreiheit, ist wendig und dank Elektrifizierung immer zugkraftfreudig. Mit 545 Litern hat er einen geräumigen Kofferraum (bei umgelegten Rücksitzen bis 1436 Liter), der plan ausläuft, so dass Kinderwagen und Co. leichter reingeschoben werden können.
Neben seinem markanten Außenauftritt, der die gefälligen und aus heutiger Sicht eher langweiligen Rundungen der ersten Generation speziell im hinteren Bereich mit Sicken und bekennender Stämmigkeit ersetzt, ist der Lexus Schriftzug jetzt als Statement auf der Heckklappe – statt wie zuvor das Emblem. Man denkt an Porsche und andere Edelmarken, die das genauso handhaben. Wer lesen kann, ist also klar im Vorteil und muss nicht länger rätseln, welcher Hersteller da denn gerade vorausfährt.
Evolution und kleine Revolution
Evolution außen, kleine Revolution innen. Im Vergleich zum Vorgänger, so sagt der Hersteller, sei fast alles neu, nämlich 95 Prozent der Fahrzeugteile. In all seinen Dimensionen ist Generation zwei evolutionär gewachsen, 20 Millimeter in Länge und Breite, fünf Millimeter in der Höhe und 20 Millimeter beim Radstand. Letztere Längung verkürzt den Überhang des Hecks um 17 Millimeter – also mehr Platz im Fahrgastraum.
Die Musik des Lexus spielt im Innenraum. Kinderleicht zu bedienen, weil herrlich selbsterklärend, ist das neue Infotainment System. Das geht ganz ohne Handbuch, das Lexus zum Glück noch in Papierform mitliefert, während andere Hersteller wie Peugeot auf ihre App verweisen.
Das wirklich Innovative aber spielt sich im Innenraum ab, genauer rund ums Cockpit mit der neuen Multimedia Plattform. Das Infotainment ist herrlich selbsterklärend geworden. Sein gewünschtes Fahrziel tippt man auf dem 14 Zoll großen HD Touchscreen einfach in die abgebildete Lupe ein. Selbstverständlich geht es auch mündlich – so, wie das mehr und mehr zur Norm zu werden scheint, mit ‚Hey‘ plus Markenname. Zum Beispiel ‚Hey Lexus, fahr mich nach Hamburg‘. Scheint fast so, als könne sich die Autoindustrie zumindest im digitalen Sprechmodus auf Standards einigen.
Ein leidiger Standard angesichts zunehmender elektronischer Helfer an Bord ist allerdings das fast ständig alarmierende Gepiepse, wenn sich ein Auto oder Mensch auch nur ansatzweise dem Fahrzeug nähert. Der Fahrer ist im Idealfall nicht blind und kennt Vor-, Rück- und Umsicht. Kurzum: Dieses Soundspektakel nervt gewaltig. Ob es sich abschalten lässt, haben wir nicht überprüft.
Wendig und kraftvoll
Neben übersichtlicher und einfacher Bedienbarkeit bleibt es dennoch in erster Linie das Fahrverhalten, das ein Automobil auszeichnet. Hier kann der Zweitonner punkten. Nicht nur der Fahrer, auch Beisitzer und Hinterbänkler sitzen komfortabel und mit dem nötigen Seitenhalt, wenn sich der Crossover in Kurven neigt. Das Interieur insgesamt ist sehr gut verarbeitet. Eine clevere Neuheit sind auch die komfortablen Türöffner. Statt an einem Hebel zu ziehen, entriegelt sich dieser auf Druck. Dann kann die Tür vom Insassen aufgestoßen werden.
Das Fahrverhalten des NX 450h+ ist souverän und präzise. Die 1,0 Liter mit hybrider Fahrweise stehen dabei eher auf dem Papier, als dass sie real zu erreichen wären. Die rein elektrische Reichweite von 76 Kilometern war bis dato Benchmark. War. Denn bei den steigenden Erwartungen an elektrische Reichweiten war es eine Frage der Zeit, bis dieser Bestwert im heiß umkämpften Segment des mittleren Luxus überboten würde. Von der dritten Generation GLC, die im September in den Handel kommt, wird das rein elektrische Fahren des Lexus um Längen, nämlich um gut 25 Kilometer (WLTP) übertroffen. Trotzdem sind 76 Kilometer ordentlich und meist ausreichend.
Bis Tempo 120 km/h überwiegt das Gefühl des unangestrengten Dahingleitens. Logisch, dass er bei leerer Batterie vergleichsweise viel Sprit schluckt. Bei uns waren es 9 Liter auf 100 Kilometer bei gemäßigter Fahrt, die 676 Kilometer Gesamtreichweite ein theoretischer Wert. Denn, wenn eine Ladesäule leer war, so ist beim Lexus nur Laden mit 6,6 kW möglich. Das verschlingt zweieinhalb Stunden und lädt nicht dazu ein, davon unterwegs Gebrauch zu machen. Ohne heimische Wallbox ist das ein gewaltiges Manko.
72.550 Euro für unsere Sportausstattung sind kein Pappenstiel, zeugt von Selbstbewusstsein und dass der Zweitonner seinen Platz in der luxuriösen Schwergewichtsklasse beansprucht, in der die Margen entsprechend lukrativer sind für die Hersteller. Auf diesem Preisniveau zieht der NX 450h+ gleich mit anderen Premiummarken, etwa dem Audi Q5, BMW X3 oder Mercedes-Benz GLC. Der Einstiegspreis für den hybriden Crossover beträgt derzeit 60.300 Euro, ein stolzer Preis, vergleicht man ihn mit dem massentauglichen Konzernbruder Toyota RAV4.
Fazit: Ein rundum gelungenes SUV, das sich mit Schnellladeoption sicher noch besser verkaufen ließe.
Text: Dr. Susanne Roeder – Fotos: Roeder