Polestar – eine starke Marke mit leuchtender Zukunft

Ich seh’ den Sternenhimmel

Polestar? Mit dem Namen können manche Autofahrer nichts anfangen. Das wird sich ändern. Denn die schwedische Marke, die sich unlängst von Volvo losgesagt hat und hinter der wie bei Volvo der zig milliardenschwere chinesische Autohersteller Geely steckt, fällt auf im Straßenverkehr und auf den Parkplätzen. Das liegt wesentlich daran, dass CEO Thomas Ingenlath seines Zeich(n)ens Designer ist und die Premiummarke mit seinem Team rasant gen POLEposition drängt.

Etliche Automarken operieren oder, um im mobilen Vokabular zu bleiben, fuhrwerken mit stellaren Bezügen. Den Anfang stiftete der Erfinder des Automobils: Mercedes-Benz. Der Stern, das Symbol für zu Wasser, zu Lande und in der Luft, ist weltweit das vielleicht bekannteste Markenzeichen überhaupt. Stellantis, das sternenstaubbestreute Konglomerat aus FCA (Fiat Chrysler Automobiles) und Groupe PSA und damit Herr über 14 Marken unter den zwei CEO John Elkann und Carlos Tavares, will seit ein paar Jahren auch nach den Sternen greifen. Nicht zu vergessen den japanischen Allradhersteller Subaru mit seinem Emblem, das an die feurigen Plejaden erinnern soll.

02 Polestar

Binnen weniger Jahren leuchtet ein neuer Stern am Firmament immer heller: Polestar aus dem schwedischen Göteborg. Seit die Marke nicht mehr an Volvo angedockt ist, hat sich das Design sichtlich emanzipiert. Polestar ist markant anders als die schwedische Schwester und erfreulich eigenständig im Vergleich zu manch anderem Hersteller. Hoffentlich darf das so bleiben.

Klar, Beauty is in the eye of the beholder – Schönheit ist Ansichtssache. In unseren Augen kann der sportliche Schwede richtig punkten – nicht nur im Design, sondern auch in Qualität, Fahrzeugabstimmung, Zuverlässigkeit und dem Fehlen von Schnickschnack. Das Navigationssystem ist die helle Freude, die Stimme super höflich und präzise in ihren Anweisungen. Besonders erfreulich: Die Bedienung der Fahrzeuge erschließt sich intuitiv und schnell. Keine kompliziert verborgenen Untermenus. Kurzum: ein bedienerfreundlicher mobiler Kamerad, der eher an Understatement glaubt und damit schlicht überzeugt. Beim Abstellen bleibt ein Polestar leise, gibt keine kraftwerkähnliche Geräuschkulisse von sich, die bei einem französischen Hersteller schon mal lauter sein kann als ein sonorer Sechszylinder.

Polestar kann punkten

Wir wollen es nochmals betonen: Die Philosophie der Schweden mit ihrem deutschen Firmenchef Ingenlath ist überzeugend und aus einem Guss und das heißt, rundum nachhaltig zu werden. Es beginnt bei der Herstellung und endet in der Verwendung recycelter Materialien im Interieur. Wertigkeit ist oberstes Gebot. Ingenlath weiß sehr genau, dass die CO2-Neutralität nicht von jetzt auf gleich passieren kann, geht diesen Weg mit seiner Truppe aber beharrlich weiter und peilt unterwegs ambitionierte Ziele an. Das ist glaubwürdig und wohltuend anders als das brachial vollmundige Getöse dieses Elon Musk, den man vielleicht als Weckruf in Richtung Paradigmenwechsel verstehen mag. Warum sich seine Autos so gut verkaufen, ist für die Autorin nicht nachvollziehbar. Die Qualität oder Zuverlässigkeit stimmt nicht, ganz zu schweigen von der „Hire and Fire“ Mentalität des Firmengründers, den auch Grundwasserspiegel – Stichwort Berlin – nicht kümmern. Die verwendeten Materialien vermutlich auch nicht. Von Politikern und Herbert Diess wird – oder wurde? – er umgarnt. Aber das ist wieder ein anderes Thema.

Widmen wir uns erfreulicheren Dingen: Wir durften den 4,60 Meter langen Polestar 2 in der für Elektrofahrzeuge ungünstigen kalten Jahreszeit testen. Die elegant kantige Limousine hat uns nicht enttäuscht und niemals im Stich gelassen. Wenn es kalt ist, erscheint auf dem Display der Hinweis, dass die Batterie derzeit begrenzt funktionsbereit sei, was zu verminderter Beschleunigung führen könne. Auch da: klare knappe Ansagen – kein alarmierendes ständiges Piepsen. Eine gute Balance also zwischen akustischen Signalen beim Ein- oder Ausparken und Ansagen via Display für andere Fahrfunktionen.

Der Kofferraum ist groß und hat nebst kinderleicht zu handhabender Skidurchreiche eine weitere clevere Vorrichtung: Mit einem Griff in die Lasche des Kofferraumbodens lässt sich der Raum halbieren. Einkaufstaschen können bei Bedarf gut getrennt verstaut und zusätzlich kinderleicht waagrecht an Haken eingehängt, also weiter fixiert werden. Insgesamt reicht der Platz allemal für vier Personen, die nicht nur ins Wochenendvergnügen fahren, sondern mit Sack und Pack ein paar Wochen Urlaub genießen wollen.
Charmant finden wir das liebevolle Detail, dass nachts beim Abstellen des Fünftürers außen vorne auf dem Panoramadach kurz eine Sternschnuppe nach innen wie nach außen aufleuchtet, das Markenemblem von Polestar.

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Elektroauto mit Faktor Freude

Klar, die Marke Polestar konnte im Gegensatz zu den anderen sternbewehrten Automarken fast auf einem weißen Blatt Papier für sich die Mobilität neu definieren. Eine Bauchlandung hätte es dennoch werden können. Polestar wird eine rein elektrische Marke. War der Polestar 1 noch ein Hybrid und im Design artverwandt mit der damaligen Mutter Volvo, so steht schon Nummer 2 in punkto ihres Designs auf eigenständigen Beinen und macht richtig Laune bei Einkaufs- und Sonntagsfahrten. Auf der Autobahn konnten wir unbeschwert 160 km/h fahren – in Abschnitten, wo dies überhaupt noch möglich ist. Ohne Reichweitenangst, höchstens lästiges Warten an belegten Ladesäulen inklusive. Aber auch das ist eine andere Geschichte.

Unser ‚Polarstern‘ hatte eine Nennleistung von 170 kW (231 PS) bei einer Batteriekapazität von 78 kWh. Reicht völlig, um flink zu cruisen, ab und an mit Schmackes zu beschleunigen und auch tatsächlich auf gut 440 Kilometer Reichweite zu kommen statt der angegebenen maximalen 540 Kilometer. Wie gesagt, es war Winter. Alternativ zu diesem sogenannten Long Range Modell locken die Schweden, deren Fahrzeuge in China produziert werden, noch mit einem Long Range Dual Motor. Mit dem zusätzlichen Elektromotor bringt es die Limousine auf satte 408 PS und macht aus ihr eine friedliebende Allradwaffe. Die Standardvariante heißt Standard Range Single. Deren 224 PS reichen für den Alltag problemlos.

Aktuelle Pressemitteilung, wonach der Standard Single Range Motor jetzt eine höhere Batteriekapazität erhält: 69 kWh statt der bisherigen 64 kWh. Dies geschehe ohne Gewichtserhöhung für das Fahrzeug. Dahinter verbirgt sich der Anspruch, die Fahrzeuge kontinuierlich weiterzuentwickeln. Polestar weiter: ‚Neben fortlaufenden Over-the-Air Updates profitieren die Kunden auch von technologischen Neuerungen der Hardware.‘

Informationen ohne Schnickschnack

Hilfreich ist der Hinweis der Schweden, dass eine Batterie sich mit Maximalladung von 90 Prozent am wohlsten fühlt – bis runter zu 20 Prozent. Das verlängert das Leben einer Batterie. Die 90 Prozent lassen sich kinderleicht per Regler auf dem Display einstellen – einfach mit dem Finger nach links schieben, denn sobald man lädt, kommt der Hinweis automatisch auf dem Tablet-förmigen Display. Auch das ist deutlich schöner gelöst als bei Tesla. Das Auto ist durchkomponiert, durchdacht und ausnahmslos wertig – man ist versucht zu sagen ‚trotz veganem Interieur‘. Einfach Premium.

Wer jedoch lieber Polster- oder Ledersitze möchte, bekommt dies anstandslos. Schön auch der Hofmeister Knick – der Begriff stammt von einem BMW Designer dieses Namens – in der Seitenansicht der Limousine und zeigt, wie Designelemente sich mit der Zeit durchsetzen – auch in anderen Marken.

Zugegeben, ich lasse mich beim Thema Auto/mobil recht schnell begeistern. Aber der neue Stern am klirrend kalten Firmament, dieser Polestar, hat es einfach in sich. Da gab es nichts, was mich enttäuschte. So blicken wir freudig gespannt auf die nächsten Modelle, die der Hersteller recht rasant auf den Markt bringen will. Dabei sind wir zuversichtlich, dass wir am Sternenhimmel in Zukunft jede Menge dieser hell flackernden Polarsterne ausmachen können, die sich mit anderen Marken einen redlichen Wettbewerb liefern.

Wettbewerb belebt das Geschäft.

Ob dieser Polarstern polarisiert? Im Design vielleicht, in seiner unbestrittenen Qualität wohl nicht. Fünf Modelle sind aktuell in Planung, so dass die Nummern drei, vier und fünf sukzessive auf den Markt kommen werden. Wie die Römer einst ihre Kinder so zählt Polestar seine Sprösslinge einfach durch. Fünf Modelle stellte unlängst auch der vietnamesische Hersteller Vinfast auf der CES zur Schau. Mit Pininfarina fährt er schwere Designgeschütze auf. Bei dieser Marke stellt sich allerdings die Frage, ob sie bald ihr Schicksal mit Infiniti teilen und wie die japanische Luxusmarke von Nissan dahindümpeln wird. Wer kennt diese Marke überhaupt noch, die hierzulande ab 2007 mit dem Anspruch antrat, anders zu sein? Selbst Sebastian Vettel als Markenbotschafter von Infiniti konnte nichts Wesentliches ausrichten. Die Marke war weder schön, noch stieß sie in eine Lücke.

Bei Polestar ist dies von Anfang eine andere Sache. Design, Nachhaltigkeitsstrategie, Wertigkeit – das passt in die Zeit und grenzt sich doch individuell von anderen Marken ab. Damit nicht genug. Neben dem sukzessiven Nachhaltigkeitspfad ist ein weiteres ambitioniertes Ziel, das vielleicht ambitionierteste, ein veritabler Wettbewerber von Porsche zu werden.

„Wir wollen um den ‚besten elektrisch betriebenen Premium-Sportwagen‘ konkurrieren.“

CEO Thomas Ingenlath

Der Mann weiß, wovon er spricht. Er war lange genug im VW Konzern.

‚Der Fisch stinkt vom Kopf‘ heißt es oft, wenn die Dinge in Unternehmen nicht gut laufen. – umgekehrt positiv wird ein schöner Schuh daraus: Wo ein guter Firmenchef, da die Chance auf ein gutes Team, das fokussiert an einer Marke arbeitet. Das macht uns zuversichtlich, dass Polestar global leuchten wird. Die Preise des Polestar 2 sind normal für ein elektrisches Fahrzeug dieser Größe. Sie beginnen beim schwedischen Elektroauto bei einem Nettolistenpreis von 45.000 Euro, minus bis zu 9.000 Euro staatliche Subvention.

A Sky full of Stars

A Sky full of Stars. Dieser Himmel voller Sterne ist ein gleichnamiges Buch der Schriftstellerin Dani Atkins. Im Buch geht es im weitesten Sinne um Liebe und Tod einer Astronomin. Unser Polestar rollte bei kaltem aber sonnenverwöhntem Wetter einwandfrei. Und am Abend konnten wir durch das Panoramadach unseren Himmel voller Sterne bewundern. Liebes Auto, das aus der Kälte kam, wir fahren dich gerne jederzeit wieder und können es schon kaum erwarten, im Roadster Polestar O2 am Steuer zu sitzen. Ein hammerhartes Design.


Technische Daten

  Standard Range
Single Motor
Long Range
Single Motor
Long Range
Dual Motor 4WD
Batteriekapazität [kWh] 64 78 78
Leistung [PS] 224 231 408
Getriebe 1-Gang-Automatik 1-Gang-Automatik 1-Gang-Automatik
0-100 km/h [s] 7,4 7,4 4,7
Vmax [km/h] 160 160 205
Reichweite [km] bis zu 440 bis zu 540 bis zu 480
Kraftstoff Strom Strom Strom
CO2-Ausstoß [g/km] 0 0 0
KombinierterVerbrauch [kWh/100 km] 17,1 17,1 19,4
Effizienzklasse A+ A+ A+

05 Polestar

Text und Fotos von Susanne Roeder